Ich bin inzwischen angekommen. Sehr gut angekommen. Und das gleich mindestens zweimal.
Den letzten Tag meiner Tour startete ich langsam. Ich genoss das Schreiben des Blogartikels zu Tag 42 im Liegestuhl auf der Terrasse der Pfeishütte. Die Hüttengäste waren alle schon unterwegs und die neuen Tagesgäste noch nicht da. Eine herrliche meditative Ruhe mitten im Karwendel.
Nur Dominik, ein Koch aus der Pfalz, der auch gerade alleine ein paar Tage in den Tiroler Bergen unterwegs war, war noch da und packte vor seiner Tagestour seine Hängematte aus und genoss neben mir die Morgensonne. Er hat mich am Abend mit seiner Geschichte sehr beeindruckt. Als Koch hat er meist Dienst bis spät in die Nacht und Montag/Dienstag frei. Ein Arbeitsrhythmus, der dauerhafte Freundschaften ziemlich schwierig macht. Dominik faszinierte mich mit seiner Aktivität im Alleine sein nicht alleine zu sein. Er erzählte von der großen Herausforderung immer wieder Energie aufzubringen um in Kontakt mit anderen zu kommen. In Verbindung mit seiner Kindheitsgeschichte berührt es mich endgültig tief. Ich weiß nicht, ob ich es ihm gebührend zeigen konnte, da ich auch mit meinem Abschluss sehr beschäftigt war. Zumindest kam mir beim Abschied ein gehauchtes „Ich finde es toll, wie du das alles machst!“ über die Lippen, bevor mich die Summe der Emotionen wieder einholte.
Später werde ich als eine Erkenntnis meiner Tour erzählen, dass die große Offenheit unter den Leuten am Berg, die ich erlebt habe, so schnell eine große Nähe ermöglicht und so berührende Geschichten zulässt. Ein großer Unterschied zur Stadt.
Der Goetheweg zum Hafelekar schlängelt sich geschickt links und rechts vom Grat der Nordkette entlang und kokettiert dazwischen geschickt mit herrlichen Tiefblicken auf Innsbruck. Immer wieder bleibe ich sitzen und genieße den Blick auf mein Ziel, meine Heimat. Genauso wollte ich meinen letzten Tag. Schon lange vor Beginn der Tour habe ich ihn mir so ständig visualisiert.
Vom Hafelekar begann der direkte Abstieg: 2.200 Höhenmeter hinunter in die Stadt mit ständigem Blick darauf. Ich war entspannt und gelöst. Es gab nun nichts mehr durchzuhalten oder zu planen. Einfach nur mehr absteigen und das Ankommen genießen. Schubweise überkamen mich die Emotionen und ich ließ immer wieder für ein paar Minuten die Tränen fließen.
Mit meinem Vater hatte ich auf meiner Tour regelmäßig telefoniert, zuletzt sogar täglich. Schon vor der Hälfte der Tour war klar, dass er mir ein Stück entgegen gehen will. So hatten wir inzwischen vereinbart, dass wir uns auf der Hungerburg, ein Stadtteil, der im Mittelgebirge über Innsbruck liegt, treffen werden. Schon auf meinen letzten Metern sah ich ihn am Parkplatz der Seilbahnstation. Ich wurde aufgeregt. Die Beine begannen zu kribbeln. Und als er auch mich sah war es ein unglaublich schöner Moment. Wir gingen aufeinander zu und fielen uns in die Arme. Ich umarmte meinen Vater für viele Minuten und ließ meine ganze Last der Tour fallen. Es war schön ihn zu spüren und am Ziel zu sein. Er flüsterte mir ins Ohr „Lass es laufen!“ und küsste mich auf die Wange.
Nach dieser großen Wiedersehensfreude entschieden wir uns gleich weiter nach Innsbruck abzusteigen und dort in einem schönen Gastgarten auf die Ankunft anzustoßen. Die letzten Meter nach Hause waren gemütlich. Wir schlenderten entspannt durch die Stadt und tauschten Geschichten aus. An der Haustüre wurde ich von einem selbstgebastelten Herz von meinem Vater mit schönen Willkommensworten überrascht und auf der Terrasse stand ein frischer Kuchen von einer Freundin. Wie schön! Ich war zuhause.
Schnell war alles wieder sehr vertraut. Irgendwie versuchte ich zu spüren, was jetzt nach der Tour anders ist. Doch ich konnte es nicht benennen. Es braucht wohl mehr Zeit dafür.
Am nächsten Tag hatte ich zwei bereits vereinbarte Zeitungsinterviews. Ich genoss sehr die freundliche Begrüßung, die angenehme Atmosphäre und die neugierigen Fragen der Journalisten und ich bekam dadurch auch die Möglichkeit, ein paar Aspekte bereits genauer zu reflektieren. Dazwischen verbrachte ich die Zeit intensiv mit meinem Vater und es gab viel zu erzählen.
Schweren Herzens entschied ich mich, bereits nach zwei Tagen wieder nach Wien zu fahren. Länger in Innsbruck zu bleiben wäre durchaus auch sehr stimmig gewesen. Doch ich freute mich auch auf mein eigenes Zuhause, Wäsche zu waschen und auch wieder eine andere Kleidung zu tragen. Und auch Zeit für mich zu haben, bevor der berufliche Alltag wieder los geht und mir die Zeit für die emotionale Nachbereitung wegzunehmen versucht.
Ich war über die Medienberichte vorbereitet – soweit ich das sein konnte – und wusste, was am Wiener Westbahnhof derzeit zum Thema Flüchtlingshilfe im Gange ist. Eine Freundin holte mich vom Zug ab und führte mich gleich über das ganze Gelände. Ich war neugierig, die unglaublich große Hilfsbereitschaft live zu sehen. Mit meinem immer noch offenen Herzen sah ich sofort die ganzen glücklichen Kinderaugen, die dankenden Gesichter der Flüchtlinge und die engagierten Hilfskräfte. Bei aller Tragik schöne und berührende Aspekte.
Nach einem kurzen Fußmarsch war ich dann erneut zuhause. In meinem Zuhause. Angekommen! Zum zweiten mal.
Berührend, tief gehend und von ganzem Herzen Glückwunsch und ein Danke, dass ich an dieser Tour teilhaben habe dürfen ! War ein Erlebnis!
Und noch etwas: dieser Moment, einen Elternteil umarmen zu können, da ist man doch einfach „nur“ Kind?!?
Eine tolle Begegnung mit einem guten Menschen ist so viel mehr Wert als alles Geld der Welt! :-)
Du schreibst von der Offenheit, die dir am Berg begegnet ist, von der Nähe und den berührenden Geschichten – ich widerspreche dir hiermit lieber Tom! Das gibt es auch in der Stadt, auch in Wien! Ich habe es auch nicht gesehen und doch haben mich meine Wanderungen am Berg gelehrt, das dieses Gefühl der Gelassenheit, der Freiheit, Leichtigkeit, Freude und Liebe überall dort stattfindet wo ICH es lebe und gebe. Ganz allein ich bin dafür verantwortlich!
Und ja es braucht Zeit zu bemerken, was sich verändert hat……aus meiner eigenen Geschichte war / ist immer die Vorfreude und die Erkenntnisse des eigenen Seins und der Wandel der Blick/ Standpunkte, Sichtweisen und der Endlichkeit danach das Magische. Mitten drin ist mein Verstand nicht wirklich präsent, sondern die Intuition und mein Ich – authentisch.
Ich wünsch dir vor allem, dass dich dein berufliche Alltag nicht zu sehr vereinnahm, du deine gelebten Erfahrungen leben kannst und die Leichtigkeit zum alltäglichen wird.
Viel Leichtigkeit Käthe
Herzliche Gratulation zu Deinen 42 Tagen der Achtsamkeit mit Dir und Deiner Umgebung! Danke, dass Du uns an Deinem großen Projekt teilhaben lässt.
Schön, dass Du gut in Deiner Heimat und auch an Deinem Zuhause angekommen bist, lieber Tom! :-)
Und ich freue mich Dich bei unserem Gipfeltreffen im Wiener Wald im Oktober wieder zu sehen. Dann vielleicht wieder mit Drei-/Vier-Tage-Bart. Denn den finde ich an Dir attraktiv und männlich ;-)
Schön dass Du nun Angekommen bist. Hoffentlich ist der ‚Alltagskulturschock‘ nach so vielen Tagen auf Wanderschaft nicht allzu groß;-)
Auf alle Fälle ein herzliches Danke für den wunderschönen gemeinsamen Tag on Tour!
Lieber Tom!
Beim Lesen deiner Zeilen kommen auch mir dir Tränen. Die Worte „Lass es laufen!“ formulieren gut, was du 40 Tage lang gemacht hast – es laufen lassen. Auch die Freude deines Vaters geht mir sehr nahe.
Generell lese ich aus deinem letzten Beitrag, dass das ganze Leben Begegnung und Kontakt ist: sei es mit sich selbst, mit Freunden, Familie, Fremden, der Natur, dem Glauben, der Hoffnung, der Emotion.
Kontakt und Beziehung – es laufen lassen!
Danke Tom, für die wunderbaren Ein- und Ansichten! Ich freue mich auf viele weitere gemeinsame Momente und den Kontakt,
Alles Liebe,
Lukas